Versuch einer Darstellung der Entwicklung des Violinbogens

Zur Entwicklung der Violintechnik, Bogenhaltung und Bogenführung

Anke & Thomas M. Gerbeth

 

Der französische und italienische Bogengriff
Stricharten im 17. Jahrhundert
Arcangelo Corelli
Der Einfluß Giuseppe Tartinis
Leopold Mozarts Violinschule
Die Geiger Wilhelm Cramer und Giovanni B. Viotti
Das Pariser Conservatoire
Louis Spohr
Niccolò Paganini
Joseph Joachim
Die Jahrhundertwende
Der Bogen in der modernen russischen Violinschule
Ausblick

gekürzte Fassung ohne Abbildungen

Die direkte, wissenschaftliche Zuordnung der einzelnen Textstellen in der Abhandlung kann (aus Platzgründen auf der Homepage) leider nur in der Originalausgabe erfolgen. Der Verlag und Erscheinungstermin wird rechtzeitig hier bekanntgegeben.

Der französische und italienische Bogengriff

In Frankreich enthalten die Aufzeichnungen über das höfische Leben zahlreiche Hinweise auf den Gebrauch von Violinen um und nach dem Jahr 1550. Zur Abgrenzung der Violine zur Viole schreibt Jambe de Fer (ca. 1508 oder ca. 1515-1566): "Die Violine ist sehr verschieden von der Viole. Das Corpus ist kleiner, flacher und der Ton ist rauher […] und die Franzosen und Italiener unterscheiden sich nicht in der Spielweise des Instruments […]. Wir nennen jene Instrumente Violen, mit denen vornehme Herren, Kaufleute und andere ehrbare Leute sich die Zeit vertreiben […]. Die andere Art Instrument wird Violine genannt; es wird gewöhnlich für den Tanz verwendet, und dieses mit gutem Grund, denn es ist leichter, in Quinten zu stimmen als in Quarten. Es ist auch leichter zu tragen, was von Wichtigkeit ist, wenn man Hochzeitszüge anführt, oder beim Mummenschanz […]. Überdies gibt es wenig Leute, die sie benutzen, ausser solchen, die mit ihr ihren Lebensunterhalt verdienen." Auf den ersten Geigen und somit mit den ersten Violinbögen wurde hauptsächlich Tanzmusik gespielt oder sie übernahmen die colla-parte-Stimmen in den Vokalsätzen. Die erste gedruckte Violinmusik stammt aus dem Jahr 1581, eine Hochzeitsmusik. Von Lambert de Beaulieu und Jacques Salmon (der letztere war wahrscheinlich ein Violinspieler) komponiert, wurde sie in "Circe ou le ballet comique de la Reine" veröffentlicht und anlässlich der Vermählung des Duc de Yojeuse mit Mme de Vaudemont aufgeführt. "Im 16. Jahrhundert wurde im größeren Umfang französische Tanzmusik für Ensembles gedruckt; aber keine Tanzmusik vor 1581 […] kann speziell mit der Violine in Verbindung gebracht werden." Diese Hochzeitsmusik könnte aber durchaus auch von anderen Instrumenten gespielt worden sein. Besondere technische Anforderungen werden weder an den Violinspieler noch an den Bogen gestellt. Wie aus den Titeln solcher Tanzsammlungen häufig hervorgeht, sind sie jedoch "für alle Arten von Instrumenten" oder sogar für Singstimmen bestimmt. "Diese Danceries waren wohl für Liebhaber gedacht, und nicht für die typischen Musikanten, wie die Violinspieler, die zum Tanz aufspielen. Bezeichnenderweise spielen die Tanzmusiker auf den Bildern der Zeit ohne Noten." Die damals verwendeten Bögen waren sehr kurz und wenig modellierfähig. Durch die tiefe Brusthaltung der Geige war auch der Bogenarm in einer tiefen Stellung, wodurch der Bogen trotz geringem Eigen- und Armgewicht genügend belastet wurde. Der Bogen wurde in der Mehrzahl mit dem Daumen unter den Haaren gehalten. Durch diese, später auch als "französischer Griff" bezeichnete Haltung, waren die für die Tanzmusik notwendigen Akzentuierungen gut auszuführen. Trotz ihres Namens, den sie vermutlich in späteren Jahren erhielt, war diese Bogenhaltung nicht auf Frankreich beschränkt. Auch in Italien und in anderen Ländern war sie weit verbreitet. Am längsten, bis ins 18. Jahrhundert, hielt sie sich jedoch in Frankreich. Über die Artikulation der Violinmusik des 16. Jahrhunderts schreibt Boyden: "Wegen der Art des Bogens und der Tatsache, dass der Violinspieler gewöhnlich zum Tanz musizierte, wurde der größere Teil der Violinmusik wahrscheinlich anders als heute in einem artikulierteren non legato-Stil gespielt. Wie oben erklärt, ergibt das nachgebende Haar aller dieser konvexen Bogen eine weitaus natürlichere Artikulation als ein moderner Bogen. Der Schwerpunkt des alten Bogens liegt im allgemeinen näher zum Frosch, und daher ist die Bogenspitze leichter. Demzufolge haben Bogenstriche im oberen Drittel des alten Bogens weniger Kraft als ähnliche Striche mit einem modernen Bogen. Und diese Eigenschaft, kombiniert mit der dem alten Bogen eigenen Nachgiebigkeit, ergibt natürlich eine deutlichere Artikulation oder Trennung zwischen den Tönen oder Phrasen. In der Regel war der alte Bogen (obwohl nicht genormt) wesentlich kürzer als der moderne. Da die Bogen allgemein kürzer waren, waren auch die Bogenstriche kürzer als beim modernen Spiel. Was die musikalischen Erfordernisse betraf, brauchte die Tanzmusik einen präzisen Rhythmus; eine klare non legato-Artikulation zwischen den Bogenstrichen kam dieser Notwendigkeit besser entgegen als der heute beliebte ausgesprochene Legato-Bogenwechsel. In der Violinmusik des 16. Jahrhunderts muss daher zweifellos ein größerer Eindruck von Licht und Luft bestanden haben, mehr Atem zwischen den Phrasen, eine Art von non legato-Stil, der für den lebhaften Rhythmus geeignet ist. Eine klare Gliederung, die dem Atemholen der Sänger entspricht, deren Kunst die Tongebung des Violinspielers nachgebildet war, war für die Violinspieler früherer Zeiten natürlich. Sie waren nicht besessen von der modernen Manie für den »Bogen ohne Ende« – einen glatten und nahtlosen Bogenwechsel, der seit dem 19. Jahrhundert die Violinspieler immer mehr beschäftigt." Über den Gebrauch der Violine in Deutschland ist aus dem 16. Jahrhundert sehr wenig bekannt. Aus einem Bericht über die Hochzeitsfeierlichkeiten von Wilhelm V., Herzog von Bayern und Renée von Lothringen vom 22. Februar bis 9. März 1568, geht hervor, dass Orlando di Lasso für die musikalische Leitung dieses Festes verantwortlich zeichnete. Hans Mielich, der Hofmaler (und Schwiegersohn Lassos) malte die Münchner Hofkapelle, die zu dieser Zeit unter Lasso spielte und sang. Leider sind die verwendeten Bögen kaum bis gar nicht zu erkennen. Die wenigen erhaltenen Musikstücke des 16. Jahrhunderts deuten darauf hin, daß die spezifischen Möglichkeiten der Violine wenig ausgenutzt wurden, besonders dort, wo die Violine der Volksmusik diente. Sieht man sich noch einmal die Bögen dieser Zeit an, so wird deutlich, daß sie in ihrer einfachen Bauart und Unvollkommenheit der Musik dieser Zeit gewachsen waren. Hier treffen zwei Bedingungsfelder zusammen: Die Musik konnte nur das fordern, was das Material zu geben vermag oder eine ausgefeiltere Herstellung der Bögen war noch nicht nötig, weil die Musik nicht mehr verlangte. Wie oben bereits erwähnt, waren die Bögen im 16. Jahrhundert in Frankreich sehr kurz. Hier wurden sie hauptsächlich für die Tanzmusik eingesetzt. In Italien jedoch, wo es ab dem Ende des 16. Jahrhunderts schon Violinen höchster Vollendung gab und diese meist zur Begleitung von Singstimmen und später für Sonaten verwendet wurden, finden sich längere Bögen. Diese Bögen werden nun nicht mehr mit dem Daumen unter den Haaren, sondern mit dem Daumen an der Stange gegriffen. Über die nächsten 150 Jahre war dieser Bogengriff als der "italienische Griff" bekannt. "Der italienische Bogengriff ist viel sensibler, da man damit durch verschiedenen Fingerdruck die Stange besser beeinflussen kann. Der Ton wird modellierfähiger und entspricht dem Verlangen nach einem gesanglichen, lyrischen, der menschlichen Stimme ähnlichen Klang […]." Hier stehen wir auch an einer Weggabelung zweier Nationen: Italien nimmt den Weg zur solistischen Violinliteratur, während Frankreich mit seiner Musik dem Tanz als vorrangige Form - wenn auch in der Kunstmusik zu höchster Vollendung gelangt - noch für eine gute Zeit verhaftet bleibt. Wie schon angedeutet, war die "französische Bogenhaltung" in Frankreich auch noch im 18. Jahrhundert verbreitet. Michelle Corrette (1709-1795) illustriert sie in seiner "L'École d' Orphée" (1738) und beschreibt sowohl den französischen als auch den italienischen Griff: "Die Italiener halten den Bogen in drei Vierteln (seiner Länge), indem sie vier Finger zu Buchstabe A setzen und den Daumen darunter zu B; und die Franzosen halten ihn an der Seite des Frosches (hausse), indem sie den ersten, zweiten und dritten Finger über das Holz bei C D E setzen, den Daumen unterhalb des Haars bei F und den kleinen Finger an die Seite der Bogenstange bei G. Diese beiden Methoden der Bogenhaltung sind gleich gut und hängen davon ab, welcher Lehrer unterrichtet […] Die Achtel und Sechzehntel werden am Ende des Bogens bei H J gespielt." Die dem französischen Geiger heute attestierte damalige Rückständigkeit konnte er gar nicht erkennen, denn er hatte ausschließlich französische Musik zu spielen. Erst als er um 1700 mit der italienischen Sonate konfrontiert wurde und die Musik von Arcangelo Corelli und seinen Zeitgenossen in die Hände bekam, wurde ihm die Divergenz der unterschiedlichen Spielarten bewusst. Nach dem Erscheinen der französischen sonatistes um 1720 wurde der französische Griff allmählich altmodisch. Um 1750 war er wohl in der Kunstmusik völlig überholt, denn er ist weder bei Abbé le fils 1761, noch in Corettes Violinlehre von 1782 erwähnt. Doch auch in Italien muss noch bis weit ins 18. Jahrhundert hinein bei Tanzmusiken nach dieser Art gespielt worden sein.

Stricharten im 17. Jahrhundert

Zu dieser Zeit war nicht mehr nur der einfachste, der einzelne Bogenstrich bekannt, der legato oder staccato die Töne von einander trennt und bei dem sich die Strichrichtung bei jedem Ton ändert, es gab auch schon zahlreiche gebundene Stricharten, einschließlich solcher mit Staccatopunkten unter einem Bindebogen. Die relative Länge des einzelnen Bogenstrichs hing sowohl vom Zusammenhang, als auch in gewissem Maße vom nationalen til ab. In der französischen Musik war, wohl auch im Zusammenhang mit dem kurzen Bogen, ein kurzer Bogenstrich üblich. Die Regelung des Ab- und Aufstrichs, mit der man sich bereits im 16. Jahrhundert beschäftigt hatte, wurde im 17. Jahrhundert weiterentwickelt, ausgebaut und später als "Abstrichregel" bezeichnet. Für die akzentuierten Noten, also beispielsweise bei jedem Taktanfang, wurde der Abstrich verwendet. Die leichten Taktteile wurden mit Aufstrich gespielt.1636 beschreibt Marin Mersenne die Regelung der Bogenführung folgendermaßen: "[…] il faut considerer que l'on doit tousiours tirer l'archet en bas sur la premiere note de la mesure, & qu'il faut le pousser en haut sur la note qui suit […] il se tire tousiours sur la premiere note de chaque mesure composée d'un nombre pair de notes, mais si elle est composée d'un nombre impair […] l'on tire l'archet en haut sur la premiere note de la mesure qui suit, afin de le tirer encore sur la premiere note de la 3. mesure […]." Die Struktur des alten Bogens und der alte Bogengriff, der ein lockeres, geschmeidiges Handgelenk erforderte, erzeugten eine Art non-legato-Strich. Im modernen Violinspiel wird der Bogenwechsel im ausgeprägten Legato sorgfältig gepflegt. Dieser moderne Legatostrich wird häufig als détaché bezeichnet. Dies ist jedoch eine äußerst irreführende Benennung, da détaché eigentlich "abgetrennt" oder "unverbunden" bedeutet. Wenn in alter Musik also von détaché die Rede ist, handelt es sich wohl eher um den non-legato-Strich. Wurden stärker von einander getrennte Töne gefordert, benutzte man Ausdrücke wie staccato oder spiccato, die scheinbar damals gleichbedeutend waren. Gekennzeichnet war eine kurz zu spielende Note meist durch einen Punkt ( . ) oder einen senkrechten Strich ( ½ ) ober- oder unterhalb derselben. "Im späten 17. Jahrhundert bedeuteten Punkte oder Striche gewöhnlich das Gleiche; kamen jedoch beide im gleichen Stück vor, so stand der Strich für eine kräftigere und ausdrücklichere Trennung als der Punkt." Auch bei den gebundenen Stricharten steht schon eine diverse Auswahl zur Verfügung. So gibt es beispielsweise synkopierte Striche, bei denen der Strich eine rhythmische Synkopierung hervorruft. Durch eine Wellenlinie unter dem Bindebogen wird die Strichart ondeggiando (ondulé) angezeigt. Der Bogenarm hat dabei eine wellenförmige Bewegung auszuführen, durch die abwechselnd zwei benachbarte Saiten angestrichen werden. Das ondulé kann gebunden oder ungebunden ausgeführt werden. Der Ausdruck ondeggiando kann auch verwendet werden, um die wellenförmige Bewegung bei Arpeggiospiel anzudeuten. Die meisten dieser Stricharten lassen sich nach eigener Erfahrung und derer von professionellen Geigern, wie beispielsweise Marianne Kubitschek-Rônez, auf einem Bogen im Modell der Zeit besser und leichter hervorbringen als mit einem "modernen" Bogen, der heute üblicherweise Verwendung findet.

Arcangelo Corelli

Der italienische Komponist Arcangelo Corelli (1653-1713) ist einer der Hauptvertreter des Concerto großo, das die Stammform des heute noch beliebten Instrumentalkonzerts zu sein scheint. Das Concerto großo ging aus einer Verschmelzung des im 17. Jahrhundert in Italien und Frankreich üblichen Trios von meist zwei Violinen und Baß mit der vielstimmigen Orchestersonate hervor. Neben den Concerti großi, die Corelli erst 1712 veröffentlichte, brachte er schon im Jahr 1700 zwölf Violinsonaten (op. 5) heraus. Diese sollten für die nächsten Generationen von Violinisten von großer Bedeutung sein. Seine Konzerte waren, wenn man Johann Joachim Quantz Worte so interpretieren darf, jedoch 1752 schon veraltet, bzw. nicht nach deutschem Geschmack. Er schreibt: "Zuletzt aber verfiel er, durch allzuvieles und tägliches Componieren, und besonders da er anfing, theatralische Singmusik zu verfertigen, in eine Leichtsinnigkeit und Frechheit, sowohl im Setzen, als im Spielen: weswegen auch seine letztern Concerte nicht mehr so viel Beyfall verdienten, als die erstern." Die ersten vollgültigen Solokonzerte, die jedoch in ihrer Art zu konzertieren noch etwas bescheiden sind, stellte Giuseppe Torelli (1658-1709) in seinen Concerti musicali op. 6 vor, die im Jahre 1698 veröffentlicht wurden. Corelli wird zugeschrieben, einen längeren Bogen benutzt zu haben, als seine Vorgänger. Die etwas längere Stange erleichtert das cantable Spiel und erlaubt mehr Modifikation des Tones. Vom englischen Verleger Robert Bremner (1713-1789), aus seinem Vorwort zu "Six Quarttetos for two violin, a tenor, and violoncello[…]" von J. G. C. Schetky (op. 6, London 1977), sind interessante Bemerkungen über Corelli und die spieltechnischen Anforderungen der Zeit überliefert. "Die Anwendung des 'swell' - messa di voce - ist von größter Wichtigkeit für jene, die ein zu Herzen gehendes Adagio oder eine andere Melodie hervorbringen wollen; solche langsamen Sätze aber, die mehr für die Wirkung der Harmonie als der Melodie geschrieben sind, wie in den Trio's von Corelli und anderen modernen Komponisten, erfordern in den meisten Fällen einen anhaltenden Bogenstrich mit gleichmäßigem Druck. Die tägliche Übung dieser Strichart ist ebenso wichtig wie der 'swell' für jene, die im Ensemble nützlich sein wollen, denn es gewöhnt den Studierenden daran, immer noch etwas Bogenlänge übrig zu haben, was jeder gute Spieler anstrebt. Diese zwei, nämlich swell und sostenuto, können als die Wurzeln bezeichnet werden, aus denen alle weiteren Fähigkeiten des Bogens entspringen." Langsam bildete sich aus dem Sonatenstil ein brillanter Solo-Konzertstil. Im ersten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts erschienen noch recht wenige Konzertwerke, deren Krone jedoch Torellis sechs Solokonzerte op. 8 aus dem Jahr 1708 darstellen. Schon 1712 beherrschte Antonio Vivaldi den Markt. Er wurde für die Gattung des Konzerts genauso vorbildlich wie Arcangelo Corelli für die Violinsonate. Viele der besten Konzertspieler Italiens zogen über die Alpen und stellten ihre Kunst in Mitteleuropa persönlich vor. In Deutschland wurde das italienische Konzert sowohl im Kirchen- als auch im Kammerstil, sofort freudig begrüßt und zum Repräsentanten des "neuen gusto" ausgerufen.

Der Einfluß Giuseppe Tartinis

Der Autodidakt Giuseppe Tartini (1692-1770) fand sein Vorbild in Francesco Maria Veracini (1690-1750), den er 1716 in Venedig hörte. Er war wohl fasziniert von der Ausdruckskraft Veracinis. Charles Burneys Bericht zufolge soll sein Ton laut, klar und besonders gut gewesen sein. Nach diesem einschneidenden musikalischen Erlebnis zog sich Giuseppe Tartini nach Ancona zurück, um ausschließlich zu üben und der Kunst Veracinis gleich zu kommen. Anschließend wurde Tartinis Spiel überall bewundert, wovon viele seiner Zeitgenossen Zeugnis geben. Giuseppe Tartini war einer der ersten Geiger, die dem Bogen besondere Bedeutung zumaßen. In einem Brief an seine Schülerin Maddalena Lombardini, später Mme Sirmen, aus dem Jahr 1760, in dem die methodischen Leitsätze seines Lehrsystems und einige pädagogische Ratschläge in kurzer Form dargelegt sind, gibt er Anweisungen zur Übung eines kontrollierten Bogens. Er beginnt seine Ratschläge mit folgenden Worten: "Ihre vornehmste Übung muß den Gebrauch des Bogens betreffen: Sie müssen darüber unumschränkter Meister werden sowohl in Passagen als im Kantabile." Weiterhin gilt sein Hauptaugenmerk dem Tonansatz, der an jeder Stelle des Bogens weich vollzogen werden muß, erst dann darf sich die Tonfülle entwickeln. "Primo studio dev' essere l'appoggio dell'arco su la corda siffattamente leggiero, che il primo principio della voce, che si cava, sia come un fiato, e non come una percossa su la corda. Consiste in leggerezza di polso, e in proseguir subito l'arcata dopo l'appoggio, rinforzandola quanto si vuole, perchè dopo l'appoggio leggiero non vi è più pericolo di asprezza, e crudezza." Wichtig sind auch die freie Beherrschung der Bogenbewegung auf- und abwärts, an beliebiger Stelle des Bogens und in beliebiger dynamischer Färbung. Laut François Joseph Marie Fayolle (1774-1852), einem französischen Musikschriftsteller, besaß Tartini zwei Bögen zu Übungszwecken, einen für den 3/4-Takt und einen für den 4/4-Takt. Durch Markierungen war der eine in drei, der andere in vier Abschnitte unterteilt. Er übte damit die genaueste Einteilung des Bogens, um ihn so zu jeder Zeit unter Kontrolle zu haben. Alle Übungen und Passagen beherrschte er sowohl wenn er mit Abstrich als auch wenn er mit Aufstrich begann. Auf Tartinis Notenpult soll in großen Lettern die Maxime "Kraft ohne Steifheit und Flexibilität ohne Schlaffheit" gestanden haben. Das Besondere an Tartini und seiner Schule muss sein Adagiospiel und damit einhergehend die Bogenkunst in der Nuancierung des Tons gewesen sein. Im Verlaufe seiner Entwicklung suchte Tartini immer weniger die äußeren Schwierigkeiten - obwohl seine Werke spieltechnisch schwierig sind - sondern die Ausgewogenheit und Einfachheit. In den letzten Lebensjahren von Giuseppe Tartini war bereits das Bogenmodell mit dem hammerförmigen Kopf, das Cramer-Modell, bekannt und beliebt. Da der sog. "Maestro delle nationi" auch mit vielen nicht-italienischen Geigern Kontakt hatte, wäre es möglich, daß er einen solchen Bogen gekannt und vielleicht auch gespielt hat. Leider sind hierüber keine schriftlichen Berichte seinerseits oder von Zeitzeugen erhalten.

Leopold Mozarts Violinschule

Leopold Mozart (1719-1787), der als Sohn eines wenig bemittelten Buchbinders in Augsburg zur Welt kam, sollte eigentlich Geistlicher werden. Nach dem Tode seines Vaters ging er nach Salzburg und schlug sich als Kammerdiener durch. Als Kind der Aufklärung erwarb er sich zugleich eine vielseitige Bildung. 1743 trat er als 4. Violinist in die erzbischöfliche Hofkapelle ein, um sich dort im Lauf der Zeit bis zum Hofkompositeur und Vizekapellmeister hinaufzuarbeiten. 1756 erschien sein bedeutendstes Werk im Druck, sein "Versuch einer gründlichen Violinschule". Es wurde mehrmals aufgelegt und in verschiedene Sprachen übersetzt. Die 1. Auflage umfasst 264 Seiten Text, der durch kurze Notenbeispiele und Abbildungen illustriert wird. Sie enthält auch einige längere Notenbeispiele, jedoch keine vollständigen Kompositionen. Mozart verwendete auch Tartinische Lehrmethoden und Lehrstücke in seiner Violinschule. Die bei Leopold Mozart abgebildeten Bögen lassen sich ausschließlich als Steckfroschbögen identifizieren. Er bezeichnet den Bogengriff, bei dem die Hand ein Stück entfernt vom Frosch die Stange hält, als Fehler. Ein "männlicher Ton" sei nur mit Griffhaltung am Frosch möglich. Der Bogen wird hauptsächlich vom Zeigefinger kontrolliert, wobei der Druck- und Auflagepunkt zwischen dem zweiten und dritten Fingerglied liegt. In anderen Schulen, beispielsweise bei L'Abbé le fils, in seinem 1761 veröffentlichten "Principe du Violon", liegt dieser in der Mitte des zweiten Gliedes oder auch zwischen dem ersten und dem zweiten Glied. Joseph Barnabé Saint Sevin l'Abbé fils (1727-1803) weist dem Bogen eine bedeutende Aufgabe zu. Er bezeichnet ihn als "âme de l'instrument", also als die Seele des Instruments. Die unbedingte Beherrschung des Bogens, nicht nur in den vielen Beispielen des staccato auf einen Bogen, auf- und abwärts, mit Auf- und Abstrich beginnend, wird verlangt, sondern auch bei weiten Saitenübergängen. Seine Übungen zeigen jedoch keinen virtuosen Charakter. Das oben bereits erwähnte Problem des Beginnens eines Bogenstrichs wird zum erstenmal von Leopold Mozart (1756) und kurz darauf von Giuseppe Tartini (1760) erwähnt. Mozart schreibt: "Jeder auch auf das stärkeste ergriffene Ton hat eine kleine obwohl kaum merkliche Schwäche vor sich: sonst würde es kein Ton, sondern nur ein unangenehmer und unverständlicher Laut seyn. Eben diese Schwäche ist an dem Ende des Tones zu hören. Man muss also den Geigenbogen in das Schwache und Starke abzutheilen, und folglich durch Nachdruck und Mässigung die Töne schön und rührend vorzutragen wissen." In den folgenden Abteilungen beschreibt Mozart verschiedene Charaktere nuancierter Bogenstriche, die alle sowohl im Aufstrich als auch im Abstrich geübt werden sollen. In "Abtheilung I" wird die messa di voce, also ein Anschwellen bis zur Mitte des Strichs und ein Abschwellen bis zu seinem Ende beschrieben. Der Bogen wird hier so viel wie möglich zurück gehalten, "um sich hierdurch in den Stand zu setzen in einem Adagio eine lange Note zu der Zuhörer großen Vergnügen rein und zierlich auszuhalten. Gleichwie es ungemein rührend ist, wenn die Sänger ohne Athem zu holen eine lange Note mit abwechselnder Schwäche und Stärke schön aushält." Der Zweck von Mozarts Violinschule bestand darin, den Schülern im Violinspiel eine gründliche musikalische Ausbildung zu geben, nicht nur blanke Fingerfertigkeit. Der Schüler sollte, den Forderungen der Aufklärung folgend, wissen, was er tut und sich über alles im klaren sein, was er zu leisten hat. Durch ihren ausführlichen Text gibt sie sowohl dem Schüler als auch dem Lehrer Hilfen für einen erfolgreichen Unterricht. Um ein Stück angemessen und "mit Verstand" vorzutragen, verlangte Mozart von einem Violinspieler nicht nur die Töne abspielen zu können, sondern auch in Rhetorik und Poetik bewandert zu sein. Im gleichen Zeitraum erschien auch noch eine andere Violinschule. Francesco Geminianis (1687-1762) "Art of Playing on the Violin", die 1751 in England erschien, ist das erste Lehrbuch für Berufsgeiger. Geminiani verurteilt darin die im 17. Jahrhundert gebräuchliche Abstrichregel. Schon im 18. Jahrhundert scheint auch für das Publikum ein Bogen von großer Wichtigkeit für den Klang der Musik gewesen zu sein. In Paris bezahlte ein vornehmer Herr dem italienischen Geiger Antonio Lolly, der auch einige Zeit in den Diensten des Herzogs von Württemberg stand, 24 Louisd'or für einen Violinbogen. "Vermutlich glaubte jener Herr, die Kunst stecke nur in dem Bogen und dieser sei der Talisman des Spiels."

Die Geiger Wilhelm Cramer und Giovanni Battista Viotti

Wilhelm Cramer, der bedeutendste ausübende Künstler der Mannheimer Schule wird 1745 in Mannheim geboren. Von 1757-72 war er dort Sologeiger an der kurfürstlichen Kapelle. Auf Veranlassung von Johann Christian Bach ging er 1773 nach London, wo er Hofkonzerte dirigierte und u.a. "leader" des Orchesters der italienischen Oper wurde. Zusätzlich dirigierte er Concerte für alte Musik und die jährlichen Concerte des Musical Fund, der späteren Royal Society of Musicians. "Bei Gründung der Professional Concerts wurde Cramer als leader an die Spitze gestellt und konnte als solcher die Werke Haydns dem Meister bei seiner Anwesenheit in London selbst vorführen." 1793 schrieb ein Deutscher in der Berliner Musikalischen Zeitung über ihn: "Cramer spielt seine eigenen Concerte sehr schön, hat einen guten Ton, trägt sehr schwere Sachen mit großer Nettigkeit vor und spielt sehr rein und präcis." Von Daniel Schubart ist über ihn zu lesen: "Wilhelm Cramer ist ein Geiger voll Genie […]. Die Engländer nennen ihn den ersten Violinisten der Welt. Wenn auch dies Urtheil übertrieben seyn möchte; so muss man doch gestehen, daß er es zu einer bewundernswerthen Vollkommenheit auf seinem Instrument gebracht hat. Sein Strich ist ganz original: er führt ihn nicht wie andere Geiger grande herunter, sondern oben hinweg und nimmt ihn kurz und äußerst fein. Niemand stakirt die Noten mit so ungemeiner Präzision wie Cramer. Er spielt sehr schnell, geflügelt, und dies alles ohne Zwang; doch gelingt ihm das Adagio oder vielmehr das Zärtliche und Gefühlvolle am meisten. Es ist vielleicht nicht möglich, ein Rondo süßer und herzerfüllter vorzutragen, als Cramer es thut." So wie man Tartini stilbildend für die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts betrachtet, gilt dies wohl für Giovan Battista Viotti (1755-1824) in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Er wird auch der "Vater des modernen Violinspiels" genannt. Seine Violinkonzerte entstanden meistenteils zwischen 1780 und 1800. Sie bilden die Brücke zwischen den Violinkonzerten Wolfgang Amadeus Mozarts (1775) und Ludwig van Beethovens (1806). Viotti erfüllte bereits alle Bedingungen eines Virtuosen-Komponisten. Seine Konzerte beschränkten sich jedoch nicht auf halsbrecherische Akrobatik, sondern verbanden Ton, Technik, Grazie und Drama. Seine Konzertreisen brachten ihn von Italien über die Schweiz und die Höfe Dresden und Berlin und weiter über Warschau nach St. Petersburg. Ende 1781 verließ er die russische Metropole und begab sich über Berlin nach Paris, wo er am 17. März 1782 unter beispiellosem Erfolg im Concert spirituell debütierte. Durch die Auswirkungen der Französischen Revolution verließ er 1792 Paris und reiste nach London. Dort hatte Wilhelm Cramer sehr unter seinem großen Erfolg zu leiden. Viottis glückliche Zeit in London war jedoch bald zu Ende. Er wurde verdächtigt, ein Spion in französischen Diensten zu sein und musste London sofort verlassen. Der Künstler, der sich unschuldig wusste, reiste tief gekränkt nach Deutschland, wo er in Schenefeld bei Hamburg für einige Zeit lebte. Dort schrieb er unter anderem auch eine Violinschule. Sein Grundsatz war: Le violon, c'est l'archet. Im Jahre 1801 erhielt er die Erlaubnis, nach England zurückzukehren. Aber man nahm ihn in London diesmal sehr kühl auf, weshalb er 1802 zu einem kurzen Besuch nach Paris ging. "Er ließ sich von Baillot überreden, im Konservatorium aufzutreten, und erregte das größte Entzücken. Baillot gab folgende Schilderung seines damaligen Spiels: 'Alles schien mühelos dahinzufließen, weich und doch energisch. Mit dem größten Elan schwang er sich in die Regionen der Inspiration. Sein Ton war herrlich, süß, aber zugleich so stählern, als wäre der zarte Bogen vom Arm eines Herkules geführt!'" Sein Einfluss auf die französischen Geiger war ungeheuer. "Durch seine Schüler Pierre Rode, Alday und Labarre wurde die Pariser Glanzperiode des Geigenspiels eingeleitet. Auch Rodolphe Kreutzer und Baillot hatten ihm sehr viel zu verdanken."

Das Pariser Conservatoire

In der Zeit um 1800, also kurz nach der französischen Revolution, nach der eine soziale Umschichtung des Musikerstandes erfolgte, finden auch Veränderungen in der Systematik und Methodik des Violinunterrichts statt. Die ersten nachweisbaren Violinetüden, als reine Übungsstücke für den Instrumentalisten, sind in einer Ausgabe von F. Fiorillo aus dem Jahr 1793 zu finden. Sie beschäftigen sich mit Problemen der Bogentechnik. Solche Musikstücke, die jeweils eine technische Schwierigkeit isoliert behandeln oder später miteinander gezielt verknüpfen, fanden auch im 1795 gegründeten Pariser Conservatoire ihre pädagogische Anwendung. Drei bedeutende Violinpädagogen, Rodolphe Kreutzer (1766-1831), Pierre Marie François Baillot (1771-1842) und Pierre Rode (1774-1830), wirkten in dieser vorbildlichen Institution. Alle drei waren sie Schüler von Viotti und halfen, den neuen Viotti-Stil zu verbreiten. Bis 1845 waren am Pariser Conservatoire ausschließlich Viottikonzerte vorgeschrieben. Von einer Sonderkommission wurden sie beauftragt, eine Violinmethode auszuarbeiten, deren schriftliche Ausarbeitung am 14. Februar 1799 vorgelegt wurde. Baillot, der die Hauptarbeit der Ausarbeitung geleistet hatte, verfasste später eine ausgereiftere Methodik, in der er seine jahrelangen Erfahrungen am Conservatoire einfließen ließ. Sie wurde 1834 unter dem Titel "L'art du violon" veröffentlicht. Kreutzer und Rode verfassten ihrerseits bekannte Etüdenwerke bzw. Capricios.

Louis Spohr

Louis Spohr (1784-1859) hatte einen langen rechten Arm, mit dem er Töne in allen Stärkegraden aushalten konnte, sowie kräftige aber höchst geschmeidige Gelenke, mit denen er die von ihm angewandten Stricharten, wie vor allem das staccato serioso, besonders gut hervorbrachte. Er selbst nannte diese Strichart, wenn sie gut ausgeführt ist, eine der Hauptzierden des Solospiels. Er war jedoch nicht nur in den "neuen" Stricharten bewandert. "großen Eindruck hat auf die Zeitgenossen auch vor allem seine dem Belcanto der alten Italiener abgelauschte Fähigkeit des 'Tonspinnens' gemacht, d.h. die Kunst, einen zarten pianissimo beginnenden Ton unter Zuhilfenahme des Vibrato allmählich zu immer größerer Klangstärke anschwellen zu lassen." Doch trotz der Reinheit des Tones und einer vollkommen durchgebildeten Bogentechnik war sein Spiel nicht glanzvoll, zumindest nicht so glanzvoll wie das Niccolò Paganinis, an dessen Maßstab alle ihm nachfolgenden Geiger gemessen wurden. "Vielleicht war seine entschiedene Abneigung gegen ein häufig angewendetes Vibrato einer der Gründe, warum sein Spiel nicht hinriss." In seiner Violinschule von 1832 spricht Louis Spohr den Bögen von François Tourte ein großes Lob aus. Er erwähnt das "unbedeutende Gewicht bei befriedigender Elastizität der Stange", "die gleichmäßige Biegung, bei der die größte Annäherung zum Haar genau in der Mitte zwischen Kopf und Frosch ist" und "die extrem genaue und saubere Arbeit". Seit Louis Spohr finden sich in den Violinschulen die Bezeichnungen G.B. für "ganzer Bogen", H.B. für "halber Bogen". Spohr war ein überaus erfolgreicher Lehrer, der bis 1860 nicht weniger als 187 Schüler ausbildete. Viele seiner Schüler wurden wiederum Lehrer und hatten als "Spohrschüler" nicht über mangelnden Zulauf zu klagen. Spohr bildete jedoch eher gute Orchestermusiker, denn Virtuosen heran. Sein Verdienst springt also nicht sofort ins Auge, zu dem Niveau der heutigen Orchester jedoch hat Spohr die Fundamente mit gelegt.

Niccolò Paganini

Niccolò Paganini (1782-1840) hatte keine sehr angenehme Jugend und wurde von seinem Vater, einem einfachen Kaufmann, schon früh mit eiserner Strenge zum Üben angehalten. Er war ungemein fleißig und konnte so schon mit 12 Jahren sein erstes Konzert geben. Später spezialisierte er sich auf eigene Kompositionen, in denen er brillieren konnte. Werke von anderen zeitgenössischen Komponisten, wie Kreutzer oder Rode, spielte er anfangs nur mittelmäßig, so daß er sie aus seinem Konzertprogramm strich. Ab 1820 brach eine violintechnische Revolution los. Durch die Paganini-Capricen und die Ausnützung ihrer Effekte durch den Komponisten oder andere Virtuosen wie de Bériot und Vieuxtemps schien Viotti jetzt völlig veraltet. "Der Name Paganini ist in der Geschichte des Violinspiels gleichbedeutend mit dem Zenith oder vielmehr dem Inbegriff der Virtuosität auf unserem Instrument." Jedoch auch Paganini hat im eigentlichen Sinn in der virtuosen Geigentechnik nichts wirklich Neues erfunden. Er hat jedoch die vorgefundenen Möglichkeiten kühn weiterentwickelt und konsequent ausgebaut. Moser charakterisiert Paganini folgendermaßen: "[…]hätte Giornovicchi Läufe von 16-24 Noten unter einem geworfenen Bogenstrich herausgebracht, so sah Paganini nicht ein, warum er ihn nicht mit einem Dutzend ricochettierender Töne mehr aus dem Felde schlagen sollte. Und wenn Durand das Staunen der Zuhörer auslöste, indem er kurze melodische Phrasen auf den beiden oberen Saiten mit dem Bogen strich und dazu auf den unteren die Begleitung mit der linken Hand pizzikierte, so war das für Paganini Grund genug, in ganzen Stücken mit dem gleichen, aber auf die Spitze getriebenen Verfahren aufzuwarten usw. […]" Die einzige wirklich auf Paganini zurückgehende Erfindung scheint eine Bogenstrichkombination zu sein, die in Geigerkreisen unter dem Namen "Paganini-Strich" bekannt ist. Nach Paganini jedoch sind so gut wie keine technischen Erfindungen mehr für den Bogen oder das Griffbrett gemacht worden. Durch die eigentlich unnatürliche Übertragung einer triolisierenden Dreiton-Strichart auf gerade Vierton-Gruppen macht dieser Strich einen mehr oder weniger aufgeregten Effekt. Fétis, ein sonst grenzenloser Bewunderer Paganinis, gestand jedoch, daß er ihn als "Sänger auf der Geige" innerlich kalt ließ: "Was ich bei seinem Spiel empfand, war Staunen und grenzenlose Bewunderung; aber nur selten hat es mich gerührt und mit jenem seelischen Gefühl ergriffen, das mir vom wahren Ausdruck der Musik unzertrennlich scheint." Auch mehrere andere Sachverständige, die Paganini gehört hatten, rühmten zwar seine Sicherheit auf dem Griffbrett, sein Ton soll jedoch trotz Schlackenfreiheit merkwürdig dünn gewesen sein und innerer Wärme entbehrt haben. F. L. Schubert beschreibt relativ genau die etwas merkwürdig anmutende Geigen- und Bogenhaltung Paganinis, die in einigen späteren Schulen aufgegriffen wurde und ihre Verbreitung fand. "Paganini's Haltung war gezwungener, indem er die Spitze des Ellenbogens ganz dicht, mit auswärts gekehrtem Oberarm, an seinen Körper drückte; der rechte Arm lag bei ihm fest am Körper und derselbe bewegte sich beinahe niemals. Freien Spielraum hatte bei ihm nur das gekrümmte Handgelenk, welches sich äußerst leicht bewegte und mit der größten Schnelligkeit die elastischen Bewegungen des Bogens leitete. Nur bei stark herausgerissenen Arpeggien, wobei der Untertheil des Bogens nahe an den Frosch gebracht wird, hob er die Hand und den Vorderarm etwas höher und den Ellenbogen vom Körper ab." Diese extreme Bogenhaltung wurde schon 1797 in der italienischen Violinschule von Bartolomeo Campangnoli (1751-1827) gelehrt. In dieser 1827 auch in französischer und deutscher Sprache erschienenen Methode ist das Musterbild eines Geigers abgebildet, dessen Oberarm mit einer Binde an den Rumpf gebunden ist. Augusto Casorti, Schüler des bei C. Lafont und Pierre Baillot in Paris ausgebildeten belgischen Geigers J. L. Meerts (1800-1863) und Schüler von Charles de Bériot (1802-1870) in Brüssel schreibt in der Einleitung zur seiner "Bogentechnik" op. 50: "Tous les coups d'archet se fondent du poignet et de l'avantbras, jamais de l'arrière bras ni de l'èpaule".

Joseph Joachim

Joseph Joachim (1831-1907) erregte schon als 7-jähriger Junge als Wunderkind Aufsehen. Als Kind hatte er eine sehr steife Bogenführung, wie sie in vielen Schulen der Zeit noch gelehrt wurde. Erst bei seinem Lehrer Joseph Böhm, der ihn drei Jahre lang unterrichtete und für diese Zeit in sein Haus als Pflegesohn aufnahm, lernte er eine freie Bogenführung, als deren Vertreter er bis heute gilt. Auch als Lehrer legte Joachim größten Nachdruck auf die Pflege des rechten Armes. Er sagte: "Die tiefste Einsicht in die Gesetze der musikalischen Prosodie und jener Faktoren, welche die Phrasierungskunst ausmachen, kann völlig gegenstandslos werden, wenn mir z. B. eine mangelhafte Bogenkultur das Konzept verdirbt, d.h. wenn ich mir vom Streichgerät fortwährend Dinge gefallen lassen muss, die gar nicht in meiner darstellerischen Absicht liegen, die ich jedoch nicht verhindern kann, wenn ich der Sklave des Bogens bin, statt umgekehrt er der meine." Schon als 10-jähriger wusste er sein Publikum und die Kritiker mit seinem Spiel und seiner Technik zu begeistern. Am 31. Jänner 1842 ist in der "Wiener Theaterzeitung" in einem Artikel des Musikkritikers J.N. Hofzinser folgendes zu lesen: "[…] In technischer Hinsicht behandelt Joachim die Violine auf ganz vorzügliche Weise. Er besitzt eine schöne Bogenführung, welche selbst durch die heterogensten Stricharten auf der E- und G-Saite nicht gestört wird, verbunden mit einer überaus leichten Lenkung der rechten Hand[…]." Joachims Mitstreiter konnten ihm in der plastischen Gestaltung nicht das Wasser reichen, weil ihnen oft "der Bogen das Concept verdarb". Viele der anderen Geiger waren Sklaven ihres Streichgerätes. Als erster spielte Joachim öffentlich die Bach'schen Kompositionen für Violine allein und hat sie so einem größeren Kreis erschlossen. In seiner über 60 Jahre dauernden Lehrtätigkeit hatte Joseph Joachim im 19. Jahrhundert die größte Anzahl von Schülern, aus denen später wieder bedeutende Künstler geworden sind. Leopold Auer und Jenö Hubay beispielsweise durften ihn ihren Lehrer nennen. Allerdings war Joachim kein Pädagoge, der einen grundlegenden Unterricht von den Anfangsgründen bis hin zur vollständigen Ausbildung gab. Er beschränkte sich vielmehr auf Ratschläge und Unterweisungen an sehr talentierte Schüler. So nimmt es nicht wunder, dass sich schließlich mehr als 400 Geiger rühmen konnten, seinen Unterricht genossen zu haben.

Die Jahrhundertwende

F. Louis Schubert beschrieb 1865 sehr genau die Körperstellung und die Haltung des Bogens. Ihm war eine natürliche und ungezwungene Haltung wichtig, die der Spieler "vor der Mitte der vorliegenden Noten oder des Notenpultes" einnehmen sollte. Er setzt sich entschieden von der Paganinischen Haltung ab. Auf Bogenführung und Bogenstrich legte er großen Wert, denn sie haben "einen großen Einfluss auf die Tonbildung und den Vortrag überhaupt, denn von der Bogenbewegung hängt die Schönheit des Tones, dessen dynamische Nuancen, sowie die engere Verbindung der Tonphrasen ab, um diese zu charakterisieren." In seinem Buch "Die Violine" erklärte er sehr deutlich, wie die einzelnen Finger der rechten Hand den Bogen umschließen müssen. Daumen und Mittelfinger liegen sich am Frosch gegenüber. Der Bogen liegt im ersten Gelenk sowohl des Zeige- als auch des Mittelfingers, Ring- und kleiner Finger liegen nur lose auf der Stange. Es darf kein Zwischenraum zwischen den ersten Fingern entstehen. Die Bewegung des Bogens geht vom Unterarm aus. Der Oberarm hat beim Streichen fast gar nichts zu tun, er darf jedoch auch nicht steif sein. Der Raum, in dem gestrichen werden darf, ist nach hinten begrenzt. Der rechte Arm darf nicht hinter die Fläche des Rückens hinausstreichen. Auch sind sägende Bewegungen nicht erwünscht. Um die Möglichkeiten des Bogens in dynamischer Hinsicht zu erlernen, gibt Schubert keine genauen Übungen an. Er vertraut hier auf das musikalische Geschick seiner Schüler. "Den Gebrauch des Bogens, in Bezug auf Stärke und Schwäche der Töne, lernt sich von selbst, sobald man erprobt hat, dass die Kraft des Bogens nach der Spitze zu abnimmt." Violinschulen, wie "Die Kunst der Bogenführung" von Emil Kross, hatten keine sehr positiven Auswirkungen auf den Bogenbau bzw. auf die originale Erhaltung von Bögen, die im 19. Jahrhundert oder Anfang des 20. Jahrhunderts gebaut wurden. Er fordert durch Manipulation am Froschmaul Veränderungen an der Bogenform vorzunehmen und somit die Ausführungen des Handwerkers zu "verbessern": "Man schabe den eckigen Vorsprung im Froschausschnitt heraus, da er ganz unnöthig ist, so dass man die Daumenspitze nicht an, sondern in den Frosch legen kann. Hierdurch wird der ganze Griff viel sicherer, und man verbraucht vermittelst dieser Einrichtung auch leichter die ganze Bogenlänge (bis dicht an den Frosch)." Kross kann mit dieser Lehrmeinung nicht alleine geblieben sein, da aus dieser Zeit eine Vielzahl von Bögen mit "verstümmelter" Froschnase erhalten sind. Hermann Schröder erwähnt 1902 einen von Carl Gley in Berlin erfundenen "Bogenführer". Dieser Apparat zur Führung des Bogens auf der Violine soll den Anfänger dazu zwingen, rechtwinklig zur Saite zu streichen. Bei an den Körper angelegtem, unbeweglichem Oberarm Muss so der Unterarm alle Bewegung ausführen und das Handgelenk leicht beweglich sein. Leider zeigt Schröder keine Abbildung des Bogenführers. Er gibt jedoch einige Tipps zur Pflege des Bogens, dessen Haarbezug mehrmals im Jahr auszuwechseln sei, da sich die Haare abspielen, was man daran erkennt, dass sie öfters reißen und auch kleine weißfleckige Stellen bekommen. Wenn der Haarbezug einmal einen Fettfleck bekommen sollte, sollte man eine Prise Salz auf ein Löschpapier geben, damit die Stelle ausreiben und danach wieder mit Kolophonium, einer aus Fichtenharz präparierten Masse, bestreichen. "Ein schmutzig gewordener Haarbezug lässt sich mit warmem Wasser und Seife auswaschen, indem der Frosch abgeschraubt wird und die Haare zwischen den Händen gerieben werden. Man hüte sich aber hierbei, die Haare nicht zu verwickeln. Nachdem der Haarbezug mit kaltem Wasser nachgespült ist, wird der Frosch wieder angeschraubt, die Haare lose angespannt und der Bogen zum Trocknen derselben aufgehängt. Sind die Haare vollständig getrocknet, so reibt man den Bezug mit pulverisiertem Kolophonium ein und streicht das etwa zu dick aufgetragene Kolophonium auf einer nicht im Gebrauch befindlichen Geige ab, ehe man den Bogen wieder gehörig in Gebrauch nimmt." Bis 1903 wird in den Violinschulen auf der steifen und passiven Behandlung des rechten Oberarms beharrt, obwohl auch die hervorragenden Geiger der Zeit, die einen kräftigen Ton aus ihrem Instrument hervorbrachten, den Oberarm mit einsetzten. Mit fixiertem Oberarm ist es beinahe ein Ding der Unmöglichkeit, einen kräftigen, klangvollen Ton zu produzieren. In keiner Violinschule des 18. oder 19. Jahrhunderts ist eine Opposition zu erkennen, die sich gegen die Überbetonung des Handgelenks und das vielfach direkt ausgesprochene Verbot des Einsatzes des Oberarms stark macht. Ferdinand Küchler äußert sich verwundert über die Blindheit der Violinschulenverfasser: "Schon vor vielen Jahren hätte jeder Violinlehrer, welcher einen bedeutenden Geiger spielen sah, erkennen müssen, dass ein großer Zwiespalt zwischen der Bogenführung der großen Virtuosen und der gedruckten Lehren der Violinschulen vorhanden war. […] Aus falsch angewendeter Pietät für diesen oder jenen berühmten Verfasser eines Lehrwerkes, dessen musikalischer Wert unantastbar war, rüttelte man lange Zeit nicht an den falschen Lehren der Bogenführung, welche traditionell von einer Violinschule in die andere wanderten. Man entschuldigte großzügige Bewegungen des Oberarms hervorragender Virtuosen als Extravaganzen genial veranlagter Menschen. Der Respekt vor dem gedruckten Wort war so groß, dass man nicht wagte, etwas an den alten, schon von den Großvätern übernommenen Lehren zu ändern, man scheute sich davor, für den Unterricht die Konsequenzen aus dem Spiel der großen Geiger zu ziehen und eine Gesetzmäßigkeit aus D e m abzuleiten, was man nur als Laune des Genies gelten lassen wollte." Dr. F. A. Steinhausen machte in seinem 1903 veröffentlichten Buch "Die Physiologie der Bogenführung" den Violinlehrern der Zeit den Vorwurf, "sie kennen nichts anderes als die Ausbildung des Handgelenks". Steinhausens Lehre setzte sich nur sehr langsam im deutschen Sprachgebiet durch. Carl Flesch weist als erster Pädagoge 1905 auf die Rollbewegung von Ober- und Unterarm hin, die sich beim Streichen vollzieht. In seinen "Urstudien" stellt er dem Schultergelenk und den Fingergelenken besondere Aufgaben und lässt die Bedeutung des mechanisch begrenzten Handgelenks zurücktreten. Er lehnt jede Beeinflussung durch den Nichtmusiker Steinhausen ab. In seinem "Lehrbuch der Bogenführung auf der Violine" beschreibt Ferdinand Küchler die Hauptfehler aller älteren Lehrwerke, die hauptsächlich darin zu finden sind, dass die Autoren ausschließlich auf die Bogenhaltung, nicht jedoch auf den Bewegungsablauf beim Streichen eingehen. Daraus entstehen dann Verkrampfungen und die Steifheit der Gelenke. Küchlers Ansicht nach müssen die Finger zwar in der Ringgriffstellung gehalten werden, sie müssen jedoch in erster Linie einen entspannten Bewegungsablauf garantieren. Er geht auch auf das "Kanten" des Bogens beim Spielen am Frosch ein. "Der Spieler muss sich bemühen, mit möglichst vielen Bogenhaaren zu spielen. Immer alle Haare zu gebrauchen ist nicht möglich, weil beim Spielen mit allen Haaren der Bogen seine spitzwinklige Neigung nach dem Griffbrett verlieren müsste, er wäre nicht mehr nach dem Griffbrett 'gekantet'". Noch 1921 erschienen Violinschulen, wie beispielsweise Klinglers "Über die Grundlagen des Violinspiels", in denen die veraltete Bogenhaltung mit dem Motto "Finger fest, Handgelenk lose!" verbreitet wurde. Andreas Moser stimmt dieser Formel zwar einerseits zu, er bemerkt jedoch andererseits, daß eine richtige Bogenführung nur dann möglich ist, "wenn ich gleichzeitig um die Nervenenden in den Fingerspitzen und deren Bedeutung für die eigentliche Vermittlung des künstlerischen Wollens weiß. Es ist nämlich notwendigerweise auch noch ein Spiel der Finger an der Bogenstange innerhalb des 'festen Bogengriffs'." Die Geiger strebten im Lauf der Zeit immer mehr nach einem kraftvolleren Ton. Da jedoch durch eine feste, jederzeit kraftvolle Bogenführung ohne Schwächen nur große Töne erzeugt werden können, versuchten sie für den seelischen Ausdruck ein anderes Mittel zu finden. Sie suchten es im Vibrato der linken Hand, was dazu führte, daß nahezu jeder Ton mit einer Schwankung versehen wurde. Der eigentliche Atem des Instruments, nämlich eine variable, differenzierte Bogenführung wurde vernachlässigt.

Der Bogen in der modernen russischen Violinschule

Einer der berühmtesten Vertreter der russischen Geigerschule war Leopold von Auer (1845-1930). Sie wird nach ihm auch heute noch oft "Auer-Schule" genannt. Aus dieser Schule gingen berühmte Geiger wie beispielsweise Efrem Zembalist, Mischa Elman, Jascha Heifetz und Nathan Milstein hervor. Da Auer zu den Lehrern gehörte, die ihre Schüler nicht zu Kopien ihrer selbst formen wollten, sondern vielmehr versuchten, die Persönlichkeit des Lernenden ganzheitlich zu fördern, dürfte es schwer fallen, den Begriff der "Auer-Schule" allzu eng zu sehen. Die Ebene des Streichens wird nun weniger als Auf- und Abstrich, sondern viel mehr als ein Hin- und Herstreichen empfunden. Das Eigengewicht des Armes kann so auf den Bogen übertragen werden, was vollends dazu ausreicht, den größten Ton zu bilden. Die geringst mögliche Muskelspannung soll dabei angestrebt werden, da zu starke Muskelspannung oder gar Verkrampfung das Armgewicht reduziert. Die russische Geigerschule bevorzugt Bögen mit einer sehr festen, widerstandsfähigen Stange, da mit einer höheren Haarspannung gespielt wird. Trotz Kanten des Bogens soll möglich immer mit allen Haaren gespielt werden. Der Bogen wird dabei durch den Arm geführt, die Finger sind beim Streichen relativ passiv, sie sind dabei weder gespreizt, noch aneinander gepresst, sondern liegen in natürlichem, entspanntem Abstand an der Stange. Auch hier wird der Ringgriff gelehrt, bei dem sich Daumen und Mittelfinger gegenüber liegen, während die anderen Finger frei sind für Gleichgewichtsübertragungen und Ausgleichsbewegungen. Der kleine Finger steht dabei auf der Stange, um am Frosch das Bogengewicht abzufangen. Je nach Bogenposition ist er gestreckt oder gekrümmt. "Beim Spiel an der Spitze (ausgenommen während des Ansetzens an dieser Stelle) muss man sich nicht absichtlich bemühen, den kleinen Finger an der Stange zu halten, wie es viele Lehrer fordern." Der Daumen liegt an der Stange, ohne sich zu sehr am Frosch anzulehnen. Er krümmt und streckt sich mit den anderen Fingern. Beim von Auer eingeführten "Petersburger Griff" liegt das Handwurzelglied des Zeigefingers am Bogen an. "Dieser Griff brachte im Unterschied zu den früheren Haltungen durch direkte Druckübertragung weitaus größere klangliche Ergebnisse bei geringstem Kraftaufwand, aber auch Hemmnisse beim Spiel am Frosch, schon durch den Zwang, den Oberarm heben zu müssen. Später wurde die auch heute gebräuchliche Haltung gefunden, bei der die Auflagestelle an der Verbindung zwischen Mittel- und Handwurzelglied liegt, durch die das Gewicht noch immer direkt und mit geringem Kraftaufwand übertragen wird, die aber größere Behändigkeit in der unteren Bogenhälfte gibt […] Beim Bogenwechsel vom Auf- zum Abstrich am Frosch verlassen das Mittel- und Nagelglied des Zeigefingers meistens die Stange durch passives Fortführen des Aufstrichs während und nach dem Bogenwechsel, ohne das der Finger seine Auflagestelle verändert oder von ihr abgehoben wird. Diese wohlgemerkt nicht absichtlich aktiv gemachte Bewegung des Zeigefingers ist ein Charakteristikum in der Bogenführung vieler Geiger." Da der Bogen vom Arm geführt wird, zieht dieser beim Bogenwechsel bereits in die neue Richtung, während die Bewegung in der alten Strichrichtung in den Fingern ausläuft.

Ausblick

Immer schwieriger wird es, Schulen, Einflüsse und Herkunftsländer gegeneinander abzugrenzen. Eine multinationale Ausbildung der heutigen Musiker, sowie die weltweite Verbreitung der Musik durch Tonträger aller Art geben ihr Übriges zu einer Verschmelzung. "Es ist nichts Außergewöhnliches, in Südamerika geboren zu sein, in Nordamerika ausgebildet zu werden, in Moskau weiter zu studieren, in Brüssel am Reine-Elisabeth-Wettbewerb teilzunehmen, in London eine Lehrstelle zu finden, in Japan Kurse abzuhalten und daneben weltweit zu konzertieren." Insgesamt gesehen, strahlt jedoch die russische Geigerschule bis heute durch nahezu alle modernen Lehrstile hindurch. Wie oben bereits angedeutet, waren die denkbaren Schwierigkeiten für den Bogen und das Griffbrett mit Paganini oder Ernst ausgereizt. Moser beschreibt die modernen Komponisten nach dem Hellmesbergerschen Witzwort: Sie schreiben nicht Konzerte für, sondern gegen die Violine. "Nur zu oft beobachtet man bei Geigern, die sich viel mit neuesten Kompositionen abgeben, dass an die Stelle geordneten Lagenspiels und sogenannter Griffbrettkultur nur noch ein sich auf den Tastsinn und das Raumgefühl verlassendes Hin- und Herspringen der Linken tritt, und hinsichtlich der Stricharten wird eine so barbarische Vereinfachung der Technik Ereignis, dass man es angesichts derartiger Aufgaben fast bereut, sich eine anständige Bogenführung angeeignet zu haben."

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