Die Probleme des Cramer-Modells, z.B. dessen Kopflastigkeit, führten zu weiteren Veränderungen am Violinbogen. Fétis nennt diese neue Entwicklungsstufe Viotti-Bogen. Dieser bedeutende italienische Musiker lebte seit 1781/82 für einige Jahre in Paris. Auch wenn keine schriftlichen Belege dafür existieren, kann man davon ausgehen, dass dieser Geiger zu der Werkstatt der bedeutendsten Bogenmacherfamilie am Ort, die der Familie Tourte, Kontakt hatte. Hinweise zur Verbesserung des Violinbogens wurden offenbar sehr ernst genommen, was an der ausgeprägten Vielfalt der Bogen aus dieser Werkstatt zu belegen ist. Gerade anhand der mit Tourte L. gestempelten Bogen kann man die kontinuierliche, über eine Generation dauernde Entwicklung hin zum modernen Bogen dokumentieren. Die wesentlichen Veränderungen, die neben anderen Experimenten ausgeführt wurden, waren die Reduzierung des Gewichtes des Kopfes durch Weglassen des hinteren Teiles und die Stabilisierung des Haarbezuges am Frosch durch Metallring und Breitmachkeil. Die Einführung von Metallteilen an Frosch und Schraube gab dem Bogen am Griffende mehr Gewicht, wodurch das Problem der Kopflastigkeit der Bogen gelöst wurde. Mehr Spannung erhielt der Bogen durch eine tiefere Biegung der Stange. Über den Meister, der seine Bogen mit “Tourte L.” stempelte, sind weder die Geburts- noch Sterbedaten bekannt. Ein wenig mehr wissen wir über François Xavier Tourte, der von 1747-1835 lebte. Er erlernte zunächst das Handwerk des Uhrmachers und arbeitete ab ca. 1770 in der Werkstatt Tourte. Der Umgang mit Metall war ihm von seiner Ausbildung zum Uhrmacher vertraut. Er war es, der höchstwahrscheinlich die Metallarbeiten in den Bogenbau einführte und diese zu einer unübertroffenen Meisterschaft brachte. Seit Tourte haben sich die Grundmaße des Violinbogens nur unwesentlich verändert. Die Stangenlänge seiner Bogen liegt bei 27 ½ pouces (74,4 cm) inklusive der Bogenschraube, dem sogenannten Beinchen.

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